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Warum funktioniert abnehmen mit Low Carb?

Und schon sind wir bei Teil 3 angekommen. Wir haben uns folgerichtig das Thema, warum und wie Low Carb funktioniert rausgesucht. Also nicht nur, wie man denn nun vorgeht und nach welchen Regeln, sondern eher, was das bewirkt.

Ich habe das Thema in verschiedenen Rezeptposts zwar schon x-mal verwurstet, aber das findet ja auf Dauer niemand wieder. Nicht mal ich ;)

Um es halbwegs übersichtlich zu halten, wollen wir vorrangig 3 Fragen beantworten:

  1. Wie funktioniert zunehmen, also Fetteinlagerung – und wie wirken die einzelnen Makronährstoffe da mit?
  2. Welche Faktoren gibt es für den Abbau von Depotfett?
  3. Wie bringt Low Carb das zusammen?

Das klingt nicht nach viel, aber über diese Themen könnte man mehrere Bücher schreiben und das Thema wäre immer noch nicht aller Tiefe abgefrühstückt.

Wir gehen aber auch nicht in die wissenschaftlichen Untiefen damit. Erstens gibt es dafür andere Ansprechpartner, will sagen, echte Wissenschaftler. Und zweitens ist das vermutlich nur für die wenigsten Leser unserer kleinen Seite interessant.

Nein, wir konzentrieren uns darauf, dass wir praktisches Verständnis für den Alltag vermitteln, mit dem du auch etwas anfangen kannst. Hoffe ich.

Also los.


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Wie funktioniert zunehmen? – oder – Wie entsteht eigentlich Körperfett?

Um zu wissen, wie du abnehmen kannst, musst du (aus unserer Sicht) optimalerweise erstmal verstehen, wie du vermutlich zugenommen hast. Und zwar auf metabolischer Ebene, nicht im Sinne vor “zu viel gegessen”. Das stimmt nämlich eventuell überhaupt nicht.

Damit Nahrung zu Depotfett wird, braucht dein Stoffwechsel erstmal einen Auslöser, ein Signal, ein Kommando – und natürlich überschüssige Energie.

Dieser Auslöser ist zum Größtenteils ein Hormon mit dem Namen Insulin. Wenn du dich schon länger mit Low Carb oder auch Diabetes oder Ernährung im Allgemeinen beschäftigst, dann stolperst du ständig darüber. Das hat auch einen guten Grund, denn Insulin ist einer der zwei großen Mitspieler, wenn es um ab- oder zunehmen geht. Der andere ist Cortisol, aber dazu kommen wir später.

So, jetzt in die Praxis. Du hast gerade gegessen.

Je nachdem, welche Makronährstoff-Kombination und welche anteiligen Mengen du zu dir genommen hast, geht dein Blutzucker rauf – so ca. nach 30 Minuten. Wie hoch dein Blutzucker steigt, ist abhängig davon, WAS du gegessen hast. Das ist keine These und kein Geheimnis, weil das Basiswissen jedes Diabetikers ist, egal ob Typ 1 oder Typ 2.

Zucker hat größeren Einfluss als Protein und Fett am wenigsten – das gilt sowohl für die Höhe des Blutzuckers als auch dafür, wie schnell er ansteigt. Die sofortige Gegenreaktion des Körpers ist, durch die Bauchspeicheldrüse Insulin auszuschütten. Je mehr Zucker im Blut ist, desto mehr Insulin wird ausgeschüttet. Ein weiterer großer Faktor ist übrigens die so genannte Insulinresistenz, aber auch das ist ein Thema für einen eigenen Artikel.

Das Insulin mach jetzt mehrere Sachen in einer bestimmten Reihenfolge.

  1. Überschüssigen Blutzucker in Form von Glykogen in die Leber einlagern
  2. Überschüssigen Blutzucker in Form von Glykogen in die Muskeln einlagern
  3. Den restlichen Blutzucker in Form von Lipiden in Fettzellen einlagern

Die Punkte 1 und 2 sind gut. Es gibt keinen Grund das in irgendeiner Weise kritisch zu sehen. Glykogen in Leber und Muskeln gehört da hin und ist ein schnell verfügbarer Energiespeicher ohne Nachteile. Leider ist der Speicherplatz in Leber und Muskeln begrenzt. Und, um ehrlich zu sein, bei den meisten Menschen permanent voll, weil wir die Speicher quasi nie zwischen zwei Mahlzeiten leerräumen – Sportler ausgenommen, aber Gewohnheitssportler haben vermutlich keinen Grund diesen Artikel zu lesen ;)

Also, überschüssige Glucose und, wenn wir schon dabei sind, überschüssige Blutfette aus den vorhergehenden Mahlzeiten, gehen in Fettdepots über (Punkt 3), weil die anderen Speicher voll sind, unsere Fettdepots aber im Prinzip unbegrenzten Speicherplatz haben. Der Beweis ist einfach angetreten – es gibt Menschen, die sich auf über 500 kg Körpergewicht gefressen haben und einen Fettanteil von über 80 % haben.

Beispiel: ein Saudi namens Khalid al-Shaery war seinerzeit (bis 2013) der schwerste lebende Mensch mit über 610 kg Körpergewicht bei einer Größe von 178 cm und hat insgesamt 542 kg  abgenommen und wiegt nun 68 kg. Diese 542 kg waren im Prinzip reine Fettmasse.

Fetteinlagerung funktioniert aber ausschließlich unter Präsenz von Insulin – oder im Fall von Blutfetten, Präsenz von Glucose oder Fructose. (Quelle Glucose/Fructose: https://link.springer.com/article/10.1007/BF00461696)

Das ist auch mengenabhängig: mehr Insulin (und Zucker) heißt mehr Fetteinlagerung und weniger Insulin heißt weniger Fetteinlagerung. Bedeutet also: niedriger Blutzucker = niedriges Insulin = wenig Fetteinlagerung.

Und da wir wissen, was hohen Blutzucker verursacht, geht die Rechnung plötzlich auf.

Zucker macht Fett. Genau deswegen. Das gilt in geringerem Maß aber selber Tendenz auch für langkettige Kohlenhydrate (Stärke).

Was ist mit Fett alleine?

Fett alleine ist eigentlich unkritisch.

Klar, Fett hat die größte Energiedichte und ist mit 9,3 kcal pro 1 g Fett schon hochkalorisch – so sehr wie es nur geht. Aber Fett hebt deinen Insulinspiegel kaum, wenn du es verzehrst.

Wenn du dich ausschließlich von Fett ernährst, sagen wir 5.000 Kilokalorien an einem Tag aus purem Fett – z. B. Olivenöl, Ghee oder Schweineschmalz – dann dürftest du eigentlich kein Körperfett zulegen, auch nicht, wenn du das über längere Zeit machst. Einfach, weil der Inuslinaustoss, der dabei entsteht, so gering ist, dass eine Fetteinlagerung biochemisch kaum möglich ist.

Ich würde das natürlich trotzdem nicht probieren. Bei 5.000 Fettkalorien am Tag stirbst du dann halt nicht an den Folgen von Übergewicht oder Herzleiden, sondern an allen möglichen Vitamin- und Mineralstoff-Mangelerscheinungen. Auch blöd.

Natürlich nicht nach einem Tag und auch nicht 4 Wochen. Vermutlich nicht mal nach 5 oder 6 Monaten, aber irgendwann schon. Der menschliche Körper ist unglaublich zäh bei sowas, aber irgendwann ist einfach Schluss.

Körperfett hast du dann aber höchstwahrscheinlich trotzdem nicht zugelegt.

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Wie krieg' ich das Fett jetzt wieder weg?

Der umgekehrte Weg ist, nämlich Abbau von Körperfett ist eigentlich genau das Gleiche, nur rückwärts. Mit ein paar zusätzlichen Faktoren.

Du brauchst mehrere Dinge, damit das ordentlich stattfinden kann.

Insulin muss runter

Erstens wird dein Körper definitiv kein Körperfett abbauen, solange dein Insulinspiegel erhöht ist. Kein bisschen. Das ist auch logisch, weil Insulin deinen Stoffwechsel auf “einlagern” programmiert. Gleichzeitig Wasser in einen Eimer schütten und Wasser aus dem Eimer schütten ist war mit eine paar Verrenkungen möglich, aber nicht sinnvoll. Und dein Körper macht keine sinnlosen Sachen. Deine Fettdepots sind in dem Fall der Eimer, falls ich das nicht klargemacht hab.

Also Punkt 1 zum merken: dein Insulin muss niedrig sein, sonst geht schonmal gar nichts.

Kaloriendefizit muss sein

Der nächste Punkt ist, dass dein Körper einen Grund braucht, überhaupt an gespeicherte Energie ranzugehen. Wir nennen das Kaloriendefizit, d. h. du konsumierst weniger Kalorien, als du verbrauchst.

Das klingt jetzt natürlich erstmal nach klassischem “friss die Hälfte”, aber so einfach ist es am Ende nicht wirklich – zumindest kann man es nicht einfach so generalisieren. Aufgrund der verschiedenen Auswirkungen, die verschiedene Makronährstoffe haben – speziell eben Zucker/Kohlenhydrate – ist nur weniger zu essen unter Umständen eben nicht die Antwort.

Trotzdem brauchst du AUCH bei Low Carb ein Kaloriendefizit. Wir empfehlen 20 % Defizit vom Gesamtumsatz für Anfänger. Wenn dein Gesamtumsatz also bei 2000 kcal liegt, würdest du für den Anfang 400 kcal pro Tag einsparen und “nur” 1600 kcal essen. Wenn dein Fettanteil in der Nahrung hoch genug ist, wirst du aber keinen Hunger leiden, weil Fett lange satt macht und deinen Blutzucker niedrig hält. Das sind aber Details für einen späteren Artikel.

Also Punkt 2 zum Merken: ohne Kaloriendefizit wirst du kein Fett los.

Ein Beispiel, das das Ganze negativ zusammenführt

Wenn du dich den ganzen Tag nur von Orangensaft ernährst, wirst du kein Fett verlieren, auch wenn du ein ordentliches Kaloriendefizit hast. Jede Stunde ein Glas Orangensaft á 200 ml entspricht gerade mal 85 kcal pro Stunde, aber gleichzeitig 16 g Zucker.

Diese 16 g Zucker heben aber deinen Blutzucker weit genug, um dein Insulin bis zum nächsten Glas O-Saft so weit oben zu halten, dass du nicht in die Fettverbrennungszone kommst. Es ist nicht genug um Fett einzulagern, aber zuviel, um damit abzunehmen – immer davon ausgehen, dass du nicht stark körperlich arbeitest. Angenommener Schreibtischjob mit 2000 kcal Tagesverbrauch.

Diese 16 Gläser O-Saft haben in Summe ungefähr 1400 kcal, du sparst also pro Tag schonmal 600 kcal ein, das macht die Woche über 4200 kcal. Das sollte eigentlich genug sein, um über ein halbes Kilo Fett zu verlieren (1 kg Körperfett entspricht ungefähr 7000 kcal), aber es passiert einfach nicht.

Was stattdessen passiert ist, dass dein Stoffwechsel erstmal das ganze Glykogen aus Leber und Muskeln entnimmt, weil er das Defizit erstmal ausgleichen muss. Mit jedem Gramm Glucose aus Leber/Muskeln verlierst du übrigens 3,7 g Wasser, weil 1g Glucose + 3,7g eine Speichereinheit Glykogen im Wert von 4 kcal ergibt.

Und wenn das alles Weg ist, dann baut dein Körper Eiweiß ab. Der Prozess heißt Gluconeogenese, d.h. Neuschaffung von Glucose, in diesem Fall aus Muskelmasse. Das ist ein sehr teurer und aufwändiger Prozess und hier brauchst du ungefähr 3 g Muskulatur für 4 kcal. (Hinweis: die genaue Angabe, wie viel Muskelmasse bei der Gluconeogenese verlorengeht, ist strittig und schwer zu ermitteln – das Prinzip bleibt aber.)

Am Ende der Woche hast du also Gewicht verloren, aber nur in Form von Speicherglucose, Wasser und Muskeln. Kaum Fett, außer vielleicht in der Nacht ein kleines bisschen, aber das machts nicht besser.

Wir merken uns also: nicht alle Kalorien sind gleich und ein reines Kaloriendefizit garantiert noch keinen Fettverlust.

Aber andere Hormone sind auch wichtig!

Es gibt natürlich noch andere Mitspieler beim Fett-Drama. Größtenteils sind das Hormone und Enzyme.

Vorher hab ich das zweite große Hormon schon kurz erwähnt: Cortisol.

Cortisol ist das Stresshormon. Es wird vor allem ausgeschüttet, wenn wir unter negativem Stress stehen, vor allem mental aber auch körperlich.

Schlechter Schlaf und zu wenig Schlaf, eine ungünstige Lebenssituation mit viel Ärger und Sorgen, schlechte körperliche Verfassung und Bewegungsmangel sind die häufigsten Auslöser für erhöhten Cortisolspiegel.

Cortisol hat nun die unangenehme Eigenschaft, sowohl die Produktion von Insulin zu begünstigen, als auch die Wirkung von Glukagon (dem Insulin-Gegenspieler, der Fett aus den Depots holt) zu behindern.

Auf Deutsch: zu viel negativer Stress bewirkt, dass du zunimmst oder zumindest nicht abnimmst. Das liegt nicht nur daran, dass Stress viele Leute dazu bringt, sich mit Essen zu trösten oder sich aus Zeitmangel ungesund zu ernähren. Auch, aber nicht nur.

Andere Hormone und Enzyme, die mitspielen sind Progesteron, Testosteron, Östrogen und hormonsensitive Lipase, aber das sind Nebenschauplätze, die wir an anderer Stelle im Details besprechen müssen. Generell aber keine Faktoren, über die sich gesunde Menschen im ersten Schritt Gedanken machen müssen – eher Feintuning, wenn der Rest passt.

Und hier kommt Low Carb ins Spiel und macht alles besser

Nochmal zum Rekapitulieren, wir haben folgende Faktoren, die die Abnahme beeinflussen.

  1. Nahrungsgesteuerte Hormonbalance: Insulin runter
  2. Machbares Kaloriendefizit
  3. Lebensstil-gesteuerte Hormonbalance: Cortisol runter

Punkt 1 ist total offensichtlich: wenn du dich Low Carb ernährst, dann sinkt dein Blutzucker. Punkt. Ist so. Damit sinkt dein Insulin und du kommst in den Fettverbrennungsmodus, wenn Punkt 2 stimmt.

Punkt 2 musst du selbst steuern und kontrollieren, sprich: angemessene Portionsgrößen. LC macht es dir dabei aber einfacher als andere Ernährungsformen. Weil wenn du dich an die empfohlenen Makros und Nahrungsmittel hältst, dann bist du satt und glücklich – Leptin und Ghrelin werden ebenso ausbalanciert (das sind zwei Hormone, die Sättigung und Hunger steuern) und du kannst problemlos ein Kaloriendefizit einhalten, ohne zu hungern.

Beim dritten Punkt nimmt Low Carb subtiler Einfluss. Low Carb verursacht nicht direkt, dass du weniger Streß zuhause oder in der Arbeit hast oder besser schläfst oder dich mehr entspannst. Oder auch nur mehr Sport machst.

Aber wenn du dich mit deinem Körper und der Ernährungsumstellung beschäftigst, dann ist die Chance irre hoch, dass du anfängst ingesamt mehr auf dich achtzugeben. Und dann passieren solche Dinge: du gehst vielleicht mehr raus, du merkst, was dir guttut und was nicht. Und fängst wirklich an, Dinge und Situationen positiv zu verändern. Weil du aufmerksamer wirst. In Hippie-Deutsch heißt das auch “achtsam leben”. Dazu gehört nicht viel, aber es kann schon sehr viel bewirken :)

So, genug für heute – mit dem Thema sind wir erstmal durch. Nächsten Mittwoch geht's weiter, aber das Thema weiß ich jetzt noch nicht.

Themenwünsche werden gern genommen, da unten ist ‘ne Kommentarbox ;)

Liebe Grüße,
Nico

Über Nico

Avatar-FotoNico ist Ernährungsberater, zertifizierter Fastenleiter und -Experte. Er ernährt sich selbst seit 2014 Low Carb mit ketogenen Phasen. Bisher hat er damit über 40 kg abgenommen und hilft anderen, ihre durch Ernährungs- und Lebensstiländerungen zu verbessern.

Weiterbildungen: Ernährungs- und Gesundheitsberater (Isolde Richter), Fastenleiter (Isolde Richter)

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Krümelkekskoch

Wednesday 16th of January 2019

Hallo Nico,

Kompliment, wie gewohnt, sehr anschaulich und präzise formuliert. Allerdings hat die Sache einen kleinen Schönheitsfehler, dem auch ich lange Zeit aufgesessen bin: Es wird prinzipiell alles, was wir an Nahrung zu uns nehmen, erstmal als Glykogen und danach als Fett gespeichert, wobei das Fett sogar vom Darm über das Lymphsystem direkt in die Zellen geht und dazu nicht mal Insulin braucht. Man kann sich das vorstellen wie bei einem modernen Telefon, bei dem der Akku unseren Fettzellen entspricht und die Basisstation (also im weiteren Sinne die Steckdose) unserer Nahrungszufuhr. Wenn wir nun telefonieren, dann läuft unser Gerät über seinen Akku, der dabei so peu à peu leergezapft wird. Und stellen wir es danach wieder auf die Basisstation, wird, solange genug Strom vorhanden ist, das Telefon über die Steckdose versorgt und mit dem Überschuss gleichzeitig auch der Akku wieder aufgeladen. Und einen Überschuss, nämlich mehr, als wir im Augenblick verbrennen können, nehmen wir auch mit der Nahrung zu uns, denn sonst müssten wir ja pausenlos mampfen, wenn wir nicht verhungern wollten.

Aber keine Sorge, unser Hormonsystem ist im Normalfall so gut ausbalanciert, dass es sich schon meldet, wenn der Akku voll ist, und dann dafür sorgt, dass die Stromzufuhr abgestellt wird. Warum aber klappt das bei den meisten Menschen trotzdem nicht, warum essen wir trotzdem weiter, obwohl der Akku schon längst überläuft?

Das Problem ist unser Gehirn. Das Ding ist nämlich nicht nur riesengroß und fürchterlich energiehungrig, sondern auch noch hemmungslos egoistisch und stinkend faul (https://de.wikipedia.org/wiki/Selfish-Brain-Theorie). Sobald es nämlich mit Glukose gefüttert wird, wird es einen Teufel tun, sich aus dem Akku zu bedienen, sondern die Glukose verheizen. Da aber Glukose von unserem Körper so gut wie nicht gespeichert werden kann, ist sie beizeiten alle. Und da hört für unser Gehirn der Spaß auf, da zeigt es uns so richtig, wer der Boss im Hause ist: Als erstes fährt es die Stresshormone hoch („Huuungeeer!!!“), diese wiederum wecken das Glucagon, das die Leber zwingt, Proteine zu Glukose zu verwurschteln (und wehe, wir haben keine Proteine im Verdauungstrakt, dann sind die Muskeln dran – gnadenlos!). Und gleichzeitig zwingen uns die Stresshormone dazu, dass wir fürchterlich grantig werden und wie fremdgesteuert in Richtung Fressnapf streben. Und weil das bekanntermaßen immer so gut funktioniert, schießt sich unser Gehirn mit der Zeit völlig auf die Glukosezufuhr ein und verlernt es, den Akku anzuzapfen. Es funktioniert also nur noch zuverlässig, wenn wir pausenlos an der Steckdose hängen. Und so entsteht das Paradoxon, dass die Fettzellen brechend voll sind und immer voller werden und das Gehirn trotzdem „Huuungeeer!!!“ schreit. Und das Insulin tut noch ein Übriges und kleistert die Fettzellen zu, dass auch die anderen Organe, die es eigentlich könnten, kein Fett mehr verbrennen können. Shit happens ...

Die Lösung des Problems ist eigentlich ganz einfach: das Gehirn müsste wieder lernen, den Akku anzuzapfen, dann wäre es vom Netz unabhängig, gleichmäßig mit Energie versorgt, und der Füllstand der Fettzellen würde sich mit der Zeit auch wieder auf ein erträgliches Maß einpendeln. Nur wie kriegt man die verwöhnte Göre dazu, ihre Hausaufgaben zu machen? Es gibt leider nur eine einzige Möglichkeit: aushungern. Jegliche Kohlenhydrate verweigern. Am besten fasten. Und damit es sich nicht an den Muskeln vergreift, dabei gleich noch powern. Dann wird es erstmal zur rasenden Wildsau und schmeißt mit Stresshormonen um sich (auch bekannt als Ketogrippe), aber irgendwann, wenn es mit Ketonkörpern vollgepumpt ist, gewinnt der Selbsterhaltungstrieb, und es fängt an, sich die Ketonkörper nutzbar zu machen. Und wenn es das wieder richtig kann, dann haben wir gewonnen. Dann bedient sich auch das Gehirn wieder aus dem Akku, und wir müssen nicht mehr laufend an die Steckdose.

Hier zeigt sich, dass die meisten Diäten (um nicht zu sagen, fast alle) vom falschen Ansatz ausgehen: Es wird überall nur darauf geachtet, ja kein Fett zu speichern. Dabei ergibt sich schon aus dem Vergleich mit dem Telefon die Unsinnigkeit dieses Vorhabens: Fett muss(!) gespeichert werden, denn wir wollen ja zwischen den Mahlzeiten auch irgendwie überleben. Und solange das Gehirn einen leeren Akku auf dem Schirm hat (ja, für das zuckersüchtige Gehirn ist der Akku leer), wird(!) auch Fett gespeichert, und zwar open end, da ja für das Gehirn der Akku nie voll wird. Wenn also eine Diät wirklich Erfolg haben soll, dann muss die Priorität darin bestehen, dass die Fettzellen geleert werden, und das wiederum geht nur, wenn sich auch das Gehirn aktiv daran beteiligt. Genau so funktioniert z.B. die Atkins-Diät: Hier wird in der ersten Phase die Zufuhr der Kohlenhydrate extrem gedrosselt, und wenn das Gehirn eingeknickt ist und die Ketolyse gelernt hat, kann man die Zügel peu à peu wieder lockern. Dann dürfen es auch ein paar Kohlenhydrate mehr sein – wichtig ist nur, dass das Gehirn, sobald die Glukose aufgebraucht ist, nicht rumkaspert, sondern zügig auf Fettverwertung umschaltet. Und da ist es imho sogar vorteilhaft, wenn es das Umschalten ein bisschen trainieren kann. Insofern macht ihr sogar alles richtig, wenn ihr ab und zu mal ein bisschen sündigt, das hält das Gehirn flexibel.

Es gibt übrigens eine ganz einfache Methode, um zuverlässig zu erkennen, ob das Gehirn schon wieder an den Akku angeschlossen ist: mal ohne Frühstück aufs Fahrrad und bis Mittag oder noch länger strampeln. Wenn man dann noch keinen saftigen Hungerast hat, kann man sich entspannt zurücklehnen, dann hat manʼs geschafft. Ich fühle mich mittlerweile mit leerem Magen sogar fitter, als wenn ich unterwegs noch verdauen muss.

Sonnige Grüße aus dem Süden der Krümelkekskoch

Nico

Wednesday 30th of January 2019

Hi :)

wieder sehr viel Text und daher kommt die Antwort wiedermal sehr spät ^^

Ich stimme dir grundsätzlich zu, bis auf einen Punkt: Gluconeogenese aus Fett und Protein findet nicht *grundsätzlich* bei jedem Verdauungsvorgang statt. Unser Körper hat sehr effektive Speichermöglickeiten für Lipide aus Nahrungsfetten, die nicht gleichzeitig Glykogen, viszerales oder subkutanes Depotfett sind - freie Fettsäuren und intramyozelluläre Lipide in der Muskulatur im arbeitenden Muskel beispielsweise. Weiterhin tritt der von dir angesprochene Hungerzustand zwischen den Mahlzeiten ja so nicht ein, weil die Verdauung speziell von Fett und Protein über viele Stunden stattfindet und die Energieabgabe entsprechend kontinuierliche ist.

Hätten wir dagegen eine permanente Konvertierung von Fett und Protein nach Glukose um dann im nächsten Schritt Glykogen daraus herstellen zu können, dann würde unser Blutzucker und Insulin gleichermaßen nach jeder Mahlzeit für Stunden und Stunden durch die Decke gehen, was speziell bei LCHF-Mahlzeiten einfach nicht der Fall ist, wie du ja sicher selbst gut genug weißt.

Disclaimer: ich bin natürlich nicht allwissend, deswegen bin ich durchaus an deinen Quellen interessiert - meine Ernährungsberaterausbildung und generelles Verständnis vom menschlichen Metabolismus sagt mir aber anderes.

Das Thema mit dem Mobilitätstraining für den Stoffwechsel halte ich wichtig für Körper UND Seele. Erstens ist Fatalismus und Nahrungsmitteldiskriminierung total fehl am Platze und wie du auch geschrieben hast: den Stoffwechsel und das Gehirn auf den Zehenspitzen zu halten ist nie eine schlechte Idee. In bestimmten Situationen haben schließlich auch Kohlenhydrate - sogar reiner Zucker - sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten. Ich würde einen Wettkampf-Leichtathleten oder einem entsprechenden Kraftsportler niemals einreden wollen, mit leeren Glykogenspeichern in ein schweres Training oder einen Wettkampf zum Thema "explosive Kraftentfaltung" zu gehen. Weil genau dafür sind KHs da und auch gut - wenn sie nämlich ihrem eigentlichen Zweck zugeführt werden. Aber 6 Stunden GTA V mit 2 Litern Cola und 3 Tüten Kartoffelchips? Not so much.

Fettadaption ist ein absolut genialer Zustand. Ich bin mittlerweile seit gut 5 Monaten fast ununterbrochen im OMAD-Modus und kann den ganzen Tag ohne Essen. Pünktlich Abends meldet sich allerdings zur üblichen Essenszeit mein Ghrelin, weil die kleinen Scheißerchen leider auch an eine gewisse Uhrzeit für das Hungersignal gewöhnt sind ;)

Kein Fett einzulagern und Depotfett zu mobilisieren geht halt Hand in Hand. Wir haben da ein paar wichtige Hormone, die da gewaltig mitspielen. Insulin für die Einlagerung, Glucagon und hormonsensitive Lipase für die Mobilisierung von Glykogen und FFS in Depotfetten respektive. Und die Logik gebietet ja schon, dass *entweder* eingelagert wird *oder* rausgeholt - beides gleichzeitig wäre ja reichlich sinnlos. Eimer füllen oder leer machen - beides gleichzeitig gibt Probleme.

Die Geschichte mit dem überlaufenden Akku hängt übrigens gleichermaßen mit dem Insulin zusammen (ich weiß, das ist bei mir für ALLES verantwortlich, aber ich dank mir das ja nicht aus) - zu hohes Insulin, insbesondere in Größen, die bei Insulinresistenz an der Tagesordnung sind, blockieren das Leptinsignal, also das Sättigungssignal an den Hypothalamus. Das ist genau der Grund, warum Menschen mit Insulinresistenz/Diabetes Typ 2 häufig einfach erst dann satt werden, wenn im Bauch ein Überspannungsschaden droht. Ich hab das selber erlebt und gleichermaßen auch den starken Kontrast, nachdem ich auf LCHF/Keto umgestellt hatte und mein Blutzucker und Insulin ziemlich schnell im Normalbereich waren.

Dein Beispiel mit Fahrradfahren auf leeren Magen erlebe ich regelmäßig selber beim Wandern. Früher wären 3 Stunden oder mehr auf den Beinen ohne vorher und währenddessen den Tank aufzufüllen absolut undenkbar gewesen. Heute? Solange ich genug Wasser habe kann ich gehen bis zum Muskelversagen, auch gern berauf :) Gutes Gefühl. Und die richtige Power der Fettadaption werde ich hoffentlich nächstes Jahr beim Megamarsch ab München nochmal unter Beweis stellen können! Hab ich mir fest vorgenommen, aber dieses Jahr traue ich mich an die 100 km noch nicht ran... mimimimi. *schulterzuck*

viele Grüße aus dem Süden in den Süden Nico